Daily Lena

 

Vorsicht, bissige Katze: Pink Elephant

Gepostet von um 07:00 Uhr

 

Uneigentliches Sprechen, das doppelbödige Spiel von Ironie, Rollentausch und Camouflage, ist immer noch die Ausnahme in der Popmusik, einem Genre, das sich – leider gerade in seinen massentauglichen Teilen – häufig genug auf die drei Modi des süßlichen Schmachtens, des weinerlichen Jammerns oder des adoleszenten Kraftmeierns reduzieren lässt. Alles todernst gemeint, versteht sich, und stets so vorgetragen, als enträngen sich die entsprechenden Gefühle unmittelbar des Sängers Brust, als gäbe es keinen Unterschied zwischen der Person, die auf der Bühne steht, und dem „Ich“, von dem im Song die Rede ist. Lenas früher Ruhm beruhte mit darauf, dass sie diese Show auf die charmanteste Weise durchbrach und mit Vorliebe Lieder vortrug, die ihr Gelegenheit gaben, offensichtlich in Rollen zu schlüpfen und singend zu schauspielern bzw. schauspielerisch zu singen – von Diamond Dave, der augenzwinkernden Liebeserklärung an einen Hardrock-Shouter, bis zum bitter ironischen Einfrau-Miniatur-Theaterstück Foundations, vom lebensfrohen New Shoes bis zum tieftraurigen Mr. Curiosity: LML wollte nur spielen. weiterlesen

 

The Seeker: Mr. Arrow Key

Gepostet von um 17:47 Uhr

by pete
Wer Lenas Auftritt beim Reeperbahn-Festival in Schmidts Tivoli gesehen hat, wird erfreut festgestellt haben, dass sich in ihrem Repertoire neuerdings ein Song befindet, bei dem sie ihr ganzes Temperament ungezügelt rauslassen und Bühne wie Publikum in Brand setzen kann. Das Lied heißt Mr. Arrow Key; es ist musikalisch ein munterer Boom-Chicka-Boom-Countrysong in der Tradition des frühen Johnny Cash und kann live je nach Stimmung von fröhlichem Fußwippen bis zu enthemmtem Pogo ausgereizt werden; von daher darf man auf die kommende Tournee durch die Frage, welches Publikum sich wohl so einfinden wird, doppelt gespannt sein.

weiterlesen

 

Here Comes the Sun: Stardust

Gepostet von um 17:46 Uhr

by bates, gauloises, jupp & walter

Man lernt ein neues Lied schon vor dem ersten Hören kennen. Bereits der Titel ist ein Wegweiser. Seit Ende Juli wussten wir: Der Name von Lenas drittem Album wie der ersten Single daraus wird Stardust sein, und wie könnte ein solcher Titel bei dieser Künstlerin nicht in Mehrdeutigkeiten explodieren, die einem entgegenfliegen, ob man will oder nicht?

weiterlesen

 

Night Vault to Kairos

Gepostet von um 17:45 Uhr

by pete
Heute vor zwei Jahren, am 16. Februar 2010, wurde mein Begriff vom Künstlertum zerstäubt. Dass ich das erst Monate später bemerkte, ist ohne Belang; hier soll von dem Ereignis jenes Abends die Rede sein, durch welches meine unumstößliche, über Jahre gefestigte Überzeugung, die Rede vom Originalgenie sei ein bourgeoises Konstrukt ohne Substanz, in exakt drei Minuten haltlos wurde.

weiterlesen

 

Notizen aus dem Nebenzimmer – Ein entschieden unvollständiger Jahresrückblick

Gepostet von um 17:44 Uhr

by bates
Ich war so unglaublich nervös. Es war ein Mittwochabend im April, ich machte mich ausgehfertig, und meine Gedanken waren bei einer, die mit Fug und Recht noch aufgeregter war als ich – und wahrscheinlich just in diesem Moment kräftig gähnte. Eine junge Sängerin, die gleich das erste abendfüllende Konzert ihres Lebens geben sollte, in einer der größten Hallen der Republik. „Der Bus ist da“ – das kleine Video auf ihrer Homepage konnte ich gerade noch sehen, und ihr Herzklopfen sprang sofort über auf mich. Das war etwas Neues: keine Erwartungshaltung als Käufer einer Karte, sondern ein Mitfiebern und Mitzittern mit der Künstlerin, die in wenigen Stunden die Bühne betreten würde. Und das Wissen, dass quer übers Land ein Haufen Verrückter mitfieberte und mitzitterte und die ersten Berichte sehnsüchtig erwartete. Es war, als ginge ich nicht als Gast und Zuschauer auf ein Konzert – und, um Himmels willen, nicht als Kunde –, sondern als Teil einer verschworenen Gemeinschaft.

weiterlesen

 

Das L-Wort

Gepostet von um 17:43 Uhr

by jupp
Das L-Wort

Eine Erklärung

Eine Nacht. Eine Halle, die ein verkleidetes Stadion ist. In ihr der offene Wahnsinn. Eine lichtgewitternde Videoleinwand von der Höhe eines Mietshauses, wie außer Kontrolle um sich selbst kreisende Scheinwerferbatterien, Trockeneiskanonen, sechsunddreißigtausend entfesselte Menschen, die einen Höllenlärm machen, ein unüberschaubares Gewusel tanzender Fahnenschwenkerinnen auf einer gigantischen Bühne. Das Ganze wirkt, als hätte man einen beträchtlichen Teil des Karnevals in Rio auf einen Weltraumbahnhof gebeamt, kurz nachdem anarchistische Rebellen die Steuerung der Laserbatterien gehackt haben. Und da, in der Mitte dieses tosenden Deliriums, kommt eine schwitzende, am Rande der Überdrehung knüppelnde Rockabillykapelle aus der Kurve und stürzt sich in die letzte Bridge, als ginge es um ihr Leben. Der Sänger ist am Anschlag, der walking bass tritt ihm in den Arsch, und die Bläser schießen goldfunkelnde Pfeile in seinen Rücken – jetzt, jetzt hat er es geschafft, „there’s no escape“, ein letzter blechschmetternder Dominantseptakkord und –

weiterlesen

 

Zauberhaftes Charisma. Über den Versuch, nach den Sternen zu greifen

Gepostet von um 17:42 Uhr

by pete
Die wissenschaftliche Annäherung an Popkultur und Popmusik steckt, über ein halbes Jahrhundert nach deren Anfängen, immer noch in den Kinderschuhen und muss sich ihren Platz im akademischen Gefüge nach wie vor gegen belächelnde Herablassung erkämpfen. Besonders trübe sieht es mit der Analyse dessen aus, was den mentalitären Kern des Pop ausmacht: nämlich die affektive Identifikation mit sowie die Bewunderung für Stars.

Ein weithin anzutreffender, nichtsdestoweniger unzutreffender Konsens über Popstars lautet, dass sie mehr oder weniger beliebig durch die Massenmedien (re-)produzierbar seien. Jana Elzner widerlegt in ihrer Arbeit „Faszination Star. Das Phänomen der Lena Meyer-Landrut“ mit beeindruckender argumentativer Stringenz diese Ansicht, die sich hauptsächlich aus der oberflächlichen Betrachtung kurzlebiger Hypes speist, welche durch inflationär hervorsprießende Casting-Shows erzeugt werden. Elzner argumentiert, dass die Massenmedien dem Publikum lediglich ein Angebot an „Star-Entwürfe[n]“ (S.16) unterbreiten können; ob es diese auch als Stars akzeptiert, bleibt seine Entscheidung und hängt wesentlich von bestimmten Kerneigenschaften des jeweiligen Stars in spe ab.

Diese erwünschten Kerneigenschaften stehen notwendigerweise in enger Relation zur psychosozialen Verfasstheit des Publikums. Gegenwärtig ist diese der Autorin zufolge durch „Individualisierung und Pluralisierung unserer Gesellschaft [geprägt]. Der Trend hin zu einer ausschließlich individuellen Lebensführung macht das ‚individuelle Selbst’ (Sommer) jedes einzelnen zum Fokus seines sozialen Handelns. […] Individuen sind somit darauf angewiesen, ihre einzigartige Persönlichkeit zu konstruieren, zu etablieren und zu demonstrieren, um eine gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. Die zunehmende Orientierungslosigkeit durch die entstandene Vielfalt an Lebensmodellen und Möglichkeiten erschwer[t] dem Individuum den Zugang zur Richtung und [zum] Typus seiner Individualität. Die Suche der Menschen innerhalb moderner Gesellschaften nach Orientierungsmustern, sinn- und identitätsstiftenden Elementen ist dadurch ebenso gestiegen wie der daraus resultierende Bedarf an Vorbildern.“ (S.12 f.)

Als Vorbilder wie auch als Idole und Stars kommen laut Elzner Menschen in Frage, die jeweils individuell als überlegen empfunden werden. Doch worauf bezieht sich diese Überlegenheit? Die Autorin sieht deren Grundlagen weniger in für die Gegenwart spezifischen Fertigkeiten, sondern mehr in Eigenschaften, die als anthropologische Konstanten aufzufassen sind. Im Rückgriff auf die vormoderne Menschheitsgeschichte schreibt sie: „Zu den Merkmalen menschlicher Gruppierungen gehört seit jeher, dass sich in ihnen Menschen mit einem besonderen Ansehen bilden, Menschen, ‚die neben dem Dunkeln der Anderen’ (Ludes) hervorleuchten. […] Immer waren es Menschen, die das Durchschnittliche, die dominante Regelmäßigkeit der Gruppe durchbrachen.“ (S.8 f.) Im Idealfall wird dabei gleichzeitig mit der Bewunderung des Außergewöhnlichen die Identifikation mit dem „Normalen“ am Star-Menschen erreicht, die es dem Bewunderer ermöglicht, sich selbst im Star wieder zu erkennen.

Inwieweit diese Akzeptanz des Stars Lena gelingt, zeigt die Autorin im empirischen Teil ihrer Arbeit, für den sie eine Online-Umfrage im Lenaisten-Forum durchgeführt hat. Dabei zeigt sich, dass Lena für ihr Publikum sämtliche Star-Kriterien erfüllt, die im theoretischen Teil erörtert worden sind. Das beginnt mit der äußeren Beschreibung Lenas, bei der „eine überdurchschnittliche Bewertung ihres Aussehens durch die Befragten gezeigt werden [kann]“ (S.33), setzt sich fort über die Zuschreibung künstlerischer Eigenschaften (S.34 f.), bei der bereits superlativische Begriffe vor allem für ihre „’performerischen’ Fähigkeiten“ gebraucht werden, und gipfelt in der Beschreibung der charismatischen Wirkung Lenas (S.35 f.), bei der der Tonfall der Teilnehmer vollends hymnisch gerät. „Ein 33-jähriger User beschreibt die charismatische Wirkung Lenas mit folgenden Worten: ‚Lena ist eine überaus charismatische und humorvolle Künstlerin, die – auf geradezu virtuose Weise intuitiv – mit der Schönheit der Welt spielt. Ihr Bühnenspiel ist reine verspielte Ästhetik, die sich aus Lenas verzauberndem Wesen selbst speist.’“

Diesem „Überwältigende[n], Unerklärliche[n] und Geheimnisvolle[n]“ (S.36) gegenüber steht die Zuschreibung von persönlichen Eigenschaften (S.34), die gerade nicht idealisiert erscheinen. Zuschreibungen wie „sympathisch, lustig, klug, liebenswert, intelligent, fröhlich, verrückt, respektvoll, normal, selbstbewusst, herzlich, warm, frech, ehrlich, sexy, cool, spontan, unkompliziert, gelassen, bodenständig, engagiert, intuitiv, prinzipientreu etc.“ weisen Elzner zufolge eher darauf hin, „dass die Teilnehmer den Star Lena innerhalb ihrer personalen Erscheinung als eine von ihnen betrachten. Durch die Zuschreibung gewöhnlicher Eigenschaften, mit denen eine Vielzahl von Menschen umschrieben werden können, wird deutlich, dass die Teilnehmer menschliche Eigenschaften in ihrem ‚Star-Objekt’ wieder erkennen, mit denen sie sich selbst identifizieren können.“ Diese geradezu idealtypische Übereinstimmung der Wahrnehmung Lenas durch ihr Publikum mit den von Elzner erarbeiteten Star-Kategorien spiegelt sich denn auch im Ergebnis der Schlussfrage, ob Lena ein Star sei: 87 % der Befragten bejahen dies. (S.43)

Die Zuschreibungen des Publikums, die Lena als Vorbild konstituieren, kommen ebenfalls deutlich zum Ausdruck. Wie bereits angesprochen, handelt es sich dabei nicht um Eigenschaften bzw. Fähigkeiten, die für die kapitalistische Gesellschaft der Spät- bzw. Postmoderne spezifisch sind, sondern um allgemein menschliche Tugenden; besonders häufig wurden Selbstbewusstsein, Optimismus bzw. positive Lebenseinstellung, Mut bzw. Furchtlosigkeit sowie Gelassenheit genannt (S.39). „Die Antworten der Teilnehmer machen deutlich, dass die scheinbaren, medial vermittelten persönlichen Eigenschaften der Starfigur Lena den Nutzern als Vorbildfunktionen dienen. So bietet die Verkörperung der persönlichen Rolle des Stars seinen Rezipienten Orientierungshilfen innerhalb ihres sozialen Handelns. […] Tendenziell ist zu sagen, dass die Wünsche der Teilnehmer … sich eher auf die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit beziehen.“ (S.40) Daher resümiert Elzner, dass Lena „für viele der Befragten zu einem ‚Hoffnungsträger’ für das Erreichen der eigenen Ziele und der Verwirklichung individueller Ideale [wird]“; und dass „Stars mit ihrem Potential Menschen zu ‚verzaubern’ … uns als alltägliche Orientierungshilfen dienen und dem Individuum einen Zugang zur Richtung seiner Individualität verschaffen. So haben wir ‚die Sterne immer gebraucht, um unseren Weg zu finden. Wir brauchen Popstars zur Navigation’ (Bloom).“ (S.45)

Gerade weil „das Starphänomen in Teilen der Wissenschaft häufig als substanzlos gilt und belächelt wird“ (S.45), kann Elzners Arbeit als verdienst- und wertvoll betrachtet werden. Sie bietet eine schlüssige und argumentativ konsistente Erklärung dafür, warum Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsstand sich vom Charisma und von der Persönlichkeit eines Stars „verzaubern“ lassen. (Die Teilnehmer an der Umfrage waren zwischen 13 und 67 Jahre alt, und die geschlechtliche Verteilung war 79 % männlich zu 21 % weiblich; siehe S.29 f.) Es bleibt zu wünschen, dass Elzners Beitrag Anstoß und Ansporn ist, um dieses Themenfeld wissenschaftlich zu vertiefen; eine Bachelorarbeit von 50 Seiten Umfang sollte nicht das letzte Wort dazu bleiben.

Jana Elzner: Faszination Star. Das Phänomen der Lena Meyer-Landrut. Bachelorarbeit. Siegen 2010. ISBN 978-3-640-83213-2

 

Aus tiefster Seele

Gepostet von um 17:41 Uhr

Von der Rettung eines Songs

von gauloises und Tall Blonde Helicopter

Die Jahre meinten es nicht gut mit ihm. Zu Anfang, 1968, ein bescheidener Erfolg zwar, der aber paradoxerweise das Karriereende einer ins Visier des rassistischen Kapuzenmobs geratenen weißen Sängerin bedeutete, die sich in ihren musikalischen Vorlieben als “nigger lover” entpuppt hatte. Dann immerhin fester Bestandteil des in Stax-Traditionen verhafteten Soul-Kanons. In den Neunzigern schließlich von der recyclingsüchtigen Hip-Hop-Industrie zum massenverträglichen Hit gesampelt – was jedoch wiederum negative Folgen nach sich zog, diesmal allerdings nur für ihn selbst. Die Verdammnis ewiger Abnudelung, so möchte man den hohen Preis nennen, den er für die aus Top-Ten-Positionen beidseits des Atlantiks resultierende Popularität zu zahlen hatte. Zuletzt fristete er in immer hinfälligeren Existenzen ein ebenso trost- wie hoffnungsloses Schattendasein in den Fängen seelenloser Alleinunterhalter und schmerbäuchiger Allzweckkapellen, als Hymne auf den Bräutigam in Wirtshaussälen und Auftrittsfanfare für John-Holmes-Gedächtnis-Stripper in den Wochenendshows defizitärer Landdiscos.

weiterlesen

 

Bühnenlichtgestalt

Gepostet von um 17:40 Uhr

by helicopter
Damals, in der Halle

Am Anfang des Konzerts, die ersten Noten sind gesungen, ein Stutzen. Moment mal, da stimmt was nicht: Das ist live. Wo ist der viereckige Kasten um sie rum?

Die Augen sehen, aber der Kopf will nicht verstehen. Die Gedanken geraten ins Straucheln, aber besser die als sie, die sich gerade anschickt, einen neuen jener Abende zu erobern, deren es so viele noch gar nicht gab – und auch nicht mehr geben wird. Zahlreich hingegen die Herzen, die ihr direkt am Bühnenrand zu Füßen gelegt werden und von weiter hinten zufliegen. Wäre es über die auf den Wogen der Begeisterung tanzenden Akkorde hinweg zu vernehmen, man hörte, wie aufgeregt sie rasen und flattern und pochen und wummern. Ganz wie ihr eigenes, so wird man später erfahren. Doch das große Rund ist auch von einer ruhigen Gewißheit erfüllt: Wie wir hier beieinander sind, sind wir bei einander in guten Händen. Nicht erst seit heute. Nicht nur für heute.

weiterlesen

 

Die große Stille

Gepostet von um 17:39 Uhr

by bates
An einem Tag in unbestimmter, nicht allzu ferner Zukunft.

Es ist still auf dem Rathausplatz in Hannover, nur wenige Spaziergänger sind an diesem regnerischen Tag unterwegs. Auf der Reeperbahn in Hamburg gießt es in Strömen. Vor den Düsseldorfer Cafés werden Stühle und Tische reingeräumt, gerade noch rechtzeitig vorm Wolkenbruch. Ein Mann mit bitterer Miene eilt noch schnell zum Kiosk. „Die Zeitung bitte!“ Er bekommt die BILD in die Hand gedrückt. In der BILD steht nichts über sie. Der Mann ärgert sich über etwas anderes.

weiterlesen